Mit den Einnahmen aus der geplanten Erhöhung des Vignettenpreises auf 100 Franken lassen sich dringend notwendige Kapazitätserweiterungen des schweizerischen
Nationalstrassennetzes nicht finanzieren. Dies machten Vertreter eines breit aufgestellten Verbandskomitees an ihrer heutigen Medienkonferenz in Bern klar. Sie bezeichnen die unausgegorene Vorlage als „regelrechte Mogelpackung“.
An der Medienkonferenz in Bern zum Auftakt der Abstimmungskampagne gegen die Vignettenpreiserhöhung wies das Komitee der Mobilitätsverbände Automobil Club der Schweiz ACS und Touring Club Schweiz TCS mit seinen 1,7 Millionen Mitgliedern im Rücken auf die gravierenden Mängel der bundesrätlichen Abstimmungsvorlage hin.
Das Geld ist bereits verplant
„Es gibt keine stichhaltigen Argumente für die Erhöhung des Vignettenpreises von 40 auf 100 Franken“, sagte Thierry Burkart, Präsident des Politischen Ausschusses des TCS. Die 100 Millionen Franken kostende Übergabe von 376 Kilometern Kantonsstrasse zum Bund bringe dem Automobilisten keinen Mehrwert. Vor allem: „Die restlichen 200 Millionen Franken sind für den Bau der Umfahrungen in La Chaux-de-Fonds, Le Locle und Näfels bereits verplant.“ Es bleibe somit kein Geld mehr übrig für die Beseitigung von Engpässen, die Erweiterung von Kapazitäten sowie die Realisierung von Netzerweiterungen. Burkart legt eine weitere Unausgegorenheit der Vorlage offen: die mit dem Vignetten-Geld geplanten Umfahrungen in den erwähnten Regionen werden nach der Umklassierung nicht einmal vignettenpflichtig.
Ein Zeichen nach Bern
Peter Goetschi, der Zentralpräsident des TCS erläuterte die strategischen Gründe für die Unterstützung des Referendums: „Es geht um klares Zeichen an die Politik in Bern“. In Bern werde die Quersubventionierung der Strasse zur Schiene immer weiter zementiert, sagte er mit Blick auf den vom Parlament bewilligten Bahninfrastrukturfonds. Der Bund nehme den Strassenbenützern jährlich zirka 9,5 Mia. Franken an Steuern, Abgaben und Gebühren ab. Davon fliessen jedoch rund 70 Prozent zuerst in die Kassen von Bund und Kantonen oder in die Finanzierung der Bahninfrastruktur. Die Folge: Für die Strasse bleibt zu wenig Geld übrig. Zusammen mit ACS-Zentralpräsident Mathias Ammann forderte Goetschi deshalb: „Es braucht gleich lange Spiesse. Wir brauchen für die Automobilistinnen und Automobilsten einen Strasseninfrastrukturfonds, wie ihn die Bahn erhalten soll.“ Dieser müsse auf Verfassungsstufe verankert sein und mit jährlich fixen Einlagen bestückt werden.
Strasse hat Investitionsbedarf
Mathias Ammann legte weitere Fakten zum Verkehrsträger Strasse dar. „Kaum jemand will zur Kenntnis nehmen, dass die Eigenwirtschaftlichkeit der Strasse seit 1995 bei über 100 Prozent liegt“ führte er aus. Die Strasse rentiere dank all der Abgaben, sie brauche und erhalte keine staatlichen Zuschüsse. Die Staus in den Agglomerationen, auch kritische Beläge und Schlaglöcher sowie die zunehmenden Mobilitätswünsche der Leute zeigten, dass die bestehende Infrastruktur aber nicht mehr ausreicht. Ammann: „Sollen Wert und Substanz des Nationalstrassennetzes langfristig gesichert werden, bedingt dies Investitionen von 60 Milliarden Franken bis ins Jahr 2030. Deshalb, so Ammann, müsse die Diskussion über die Strassenfinanzierung neu begonnen werden, und da fahre die Vorlage zur Änderung des Nationalstrassen-Gesetzes in die völlig falsche Richtung.
Die Staus bleiben
François Membrez, Präsident der Sektion Genf des TCS, rundete diese Ausführungen ab. Die Staus auf den Nationalstrassen seien alleine zwischen 2009 und 2011 um 60 Prozent gestiegen, hielt er fest. „Die Vignetten- Preiserhöhung hilft dagegen überhaupt nicht. Und für die nötigen Netzergänzungen wie Morges und Glattal kündigt der Bundesrat schon eine weitere Erhöhung des Mineralölzuschlags an.“ Auch erinnerte er an 1993:
„Bei der damaligen Erhöhung des Mineralölzuschlags um 20 Rappen wurde gesagt, mit diesem Geld würden die
Autobahnen fertig gebaut. Das Versprechen wurde bis heute nicht eingelöst.“
Das Komitee gegen die Vignetten-Mogelpackung empfiehlt den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern, am 24. November 2013 die Vorlage über die Änderung des Nationalstrassen-Abgabegesetzes abzulehnen. Als valable Alternative schlägt es die Schaffung eines in der Bundesverfassung verankerten Strasseninfrastrukturfonds vor. Nur dieser garantiere, dass langfristig Betrieb, Unterhalt und Ausbau des Nationalstrassennetzes sichergestellt werden.
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