Das ist mir in 36 Jahren Motorradfahren noch nie passiert. Es beschleicht mich langsam ein komisches Gefühl. Und ich bin verunsichert. Ich habe gerade das Testmotorrad, die elektrische „Zero S“ abgeholt, und stehe nun vor einem Rotlicht. Totale Stille. Stimmt natürlich nicht. Ganz im Gegenteil, ich höre jedes einzelne Geräusch der Grossstadt. Auch das klackern der Absätze einer Passantin neben mir auf dem Gehsteig. Aber das Motorrad gibt keinen Ton von sich. Kein leises Pulsieren des sich im Leerlauf drehenden Motors ist zu spüren. Ich stehe da und habe das Gefühl, die ganze Stadt starrt mich und mein „totes“ Motorrad an. Nur die grüne Kontrollleuchte im Cockpit zeigt sich unbeeindruckt und blinzelt mich optimistisch an. Sie scheint dem verunsicherten Zweibeiner zu sagen: „“Hey, an mir soll’s nicht liegen ich bin jederzeit bereit.“ Die Ampel wechselt auf Grün und drehe am Gasgriff … Entschuldigung bitte … am Regler, und sofort setzt sich die Zero mit einem leisen Summen in Bewegung. Um einen berühmten Offizier eines Raumschiffs in der Zukunft zu zitieren: „Faszinierend.“
Geschichte der Zero Motorcycles
Heute gibt es schon einige verschiedene elektrische Roller zu kaufen. Bei den Motorrädern sieht das Angebot noch nicht ganz so üppig aus. Als einziges in Serie produziertes Motorrad ist bei uns erst die Zero erhältlich. Die Geschichte der Zero Motorcycles aus Santa Cruz in Kalifornien, ist eine typisch amerikanische. Begonnen hat alles in der berühmten Garage. Im Jahre 2006 hat Neal Saiki, ehemaliger NASA-Ingenieur und Mountainbike-Designer, die ersten Elektromotorräder zusammengebastelt. Dank der emissionslosen Fortbewegung, kam Zero Motorcycles schon relativ früh in den Genuss einer Förderung durch den Kalifornischen Staat, welcher das junge Unternehmen mit rund 2 Millionen Dollar förderte. Es entstanden in der Folge verschiedene elektrische Gelände- und Strassenmotorradmodelle. Auf Nachhaltigkeit wurde von Anfang an grossen Wert gelegt. So wird zum Beispiel die verwendete Lithium-Batterie ganz ohne Schwermetalle hergestellt und kann vollständig recycliert werden. Lange Zeit hatten die Zero Motorräder den Nachteil, dass ihnen noch der Stallgeruch der Garage anhaftete. Bildlich gesprochen. Entsprechend seiner Vergangenheit, hatte Neal Saiki beim Zusammenbau wohl zu oft ins Mountainbikeregal gegriffen, als es um die Ausstattung ging. Gabeln die sich verwinden, Bremsen die ihren Dienst mehr schlecht als recht verrichten, Federelemente welche ihren Namen nicht verdienen, schlagende Ketten und ein Finish, welches ganz einfach nach Bastelei aussah.
Heute, 5 Jahre später, sieht alles ein bisschen anders aus. Und wie !
Das Management wurde komplett ausgetauscht und Neal Saiki wirkt nun nur noch im Hintergrund. Der ganze Mountainbike-Krempel wurde gegen hochwertige Motorrad-Komponenten ausgetauscht. So hat zum Beispiel ein wartungsfreier und zugleich leiser Zahnriemen die Kette abgelöst. Gabel, Federelemente, Felgen und Bremsen sind jetzt wirklich feine Motorradteile die auch noch gut aussehen.
Technik und Ausstattung
Die Road&Motor vom E-Mobil Center „m-way“ in Zürich zum Test zur Verfügung gestellte Zero S, ist ein richtiger Hingucker. Ein echtes Schmuckstück. Eine 310mm grosse Wave-Bremsscheibe vorne, upside down Gabel, Stahlflex Bremsleitungen, rot eloxierte Felgen, eine grosse Lampe und die hinter einer Abdeckung geschützte Cockpitarmaturen, ein blitzsauber geschweisster Aluminiumrahmen; all das trägt zu einer hochwertigen Anmutung bei. Da darf man ruhig auch einmal genauer hingucken. Die Qualität stimmt. Auch für das Auge.
Trotz ihrer lediglich 135 Kilos sieht die Zero S richtig erwachsen aus. Das liegt nicht zuletzt auch an der stolzen Sitzhöhe von rund 80 cm. Der grosse optische Unterschied zum konventionellen Motorrad ist der grosse Batteriekasten dort, wo sonst Motor und Einspritzanlage verbaut sind. Das Herz des E-Bikes, der Permanentmagnet-Motor mit einer Maximalleistung von 26 PS (19 kW) liegt schön tief auf der Schwingenachse. Die Maximalleistung kann nur kurzfristig abgerufen werden. Die nutzbare Dauerleistung liegt bei 12 PS (9kW). Aber keine Angst, das satte Drehmoment von 60 Nm sorgt für zügiges Vorwärtskommen und bietet auch Reserven für einen Zwischenspurt, zum Beispiel bei einem Überholvorgang.
Elektrisch unterwegs
Drei Sachen prägen das Motorradfahren mit Strom. Erstens: Die fast völlige Lautlosigkeit. Beim Anfahren hört man kurz den Elektromotor summen und einige feine Geräusche vom Zahnriemen, die aber relativ schnell von den aerodynamischen Luftgeräuschen des eigenen Sturzhelms übertönt werden. Am Anfang mag das gestandene Motorradfahrer irritieren, aber man gewöhnt sich sehr schnell daran. Zweitens: Die fast völlige Lautlosigkeit. Für die Umwelt. Passanten am Strassenrand, die einen kommen sehen, fixieren dich. Ganz nach dem Motto: „Was kommt denn da? Ich sehe dich, aber ich hör’ dich nicht!“ Auch da gibt’s scheinbar (noch) Irritationen. Ein weiterer Nebeneffekt: hält man einmal an, geht’s meistens nur Sekunden bis man von nächstbesten Passanten angesprochen wird. „Ist das wirklich ein Elektromotorrad? Wie läuft sie? Macht’s Spass? Wie weit kommt man mit einer Batterieladung? Und da wären wir nun bei Drittens: Die mögliche Reichweite. In Verkaufsunterlagen und im Internet wird eine Reichweite von 90 Kilometern pro Batterieladung genannt. Man tut allerdings gut daran, auf der Website bei den technischen Daten, auf das klitzekleine Fragezeichen hinter der Reichweitenangabe zu klicken. Da wird nämlich ausgeführt wie man den auf diese 90 Kilometer gekommen ist. Man nehme das Motorrad, fahre auf ebener Strecke mit einer konstanten Geschwindigkeit von 40 km/h und das alles auch noch auf einem Prüfstand. Na klar, man kann auch mit geschlossenen Beinen auf den Mond hüpfen. Man muss beim Anlauf nur einfach genug tief in die Knie gehen.
Ob sich Hersteller und Verkauf mit dieser realitätsfernen Zahl eine Gefallen tun, darf stark bezweifelt werden. Denn die Reichweite ist beim jetzigen Stand der elektrischen Mobilität immer noch DIE Kernfrage. Bei unserer Testmaschine fing die Batterieladeanzeige bei jeweils 45 Kilometern zu blinken an und verlangte nach einer Steckdose. Nach 52 Kilometern war dann die Anzeige wirklich auf Zero. Dies bei einer moderaten, gesetzeskonformen Fahrweise. Diese 50 Kilometer sind eine realistische Zahl aus der Praxis, und kein Wunschdenken aus einem weltentrückten Marketingbüro.
Die Zero fasziniert nicht nur wegen ihres elektrischen Antriebs. Mit dem geringen Gewicht fährt sie sich so handlich wie eine125er, das Drehmoment entspricht dem einer 600er und die Leistung ist die einer 250er. Eine Mixtur, welche die Zero geradezu für den Stadt- und Commuterverkehr prädestiniert. Wendig und wieselflink im Stadtgewühl mit den Kraftreserven auch mal zügig überholen zu können. Strecken ausserhalb der Stadt kann man locker und entspannt zurückzulegen. Die mögliche Endgeschwindigkeit von etwas über 100 km/h ist nichts für die Autobahn. Dafür aber muss der obere Geschwindigkeitsbereich nicht erkämpft werden. Ganz im Gegenteil. Ausserortstempi werden zügig erreicht und hier scheint der Motor auch am meisten Kraft zu entwickeln um dann bei Höchstgeschwindigkeit ganz einfach abzuriegeln. Die einzelne Wave-Bremsscheibe vorne und eine kleinere Bremsscheibe hinten haben mit dem Leichtgewicht und dem Fahrer keine Mühe. Es braucht allerdings ein wenig Kraft in den Fingern damit die Bremse auch wirklich beisst. Das Fahrwerk ist sportlich straff abgestimmt und bei Bedarf kann bei Gabel und das Federbein über Einstellungsschrauben den eigenen Wünschen entsprechend nachjustiert werden.
Lediglich die Sitzbank ist etwas hart ausgefallen, was sich aber dadurch relativiert, dass man mit diesem Motorrad keine stundenlangen Touren macht.
Fazit
Was fehlt ? Neben der Batterieanzeige wünschte ich mir noch ein Instrument, welches mir anzeigt, in welchem Bereich der Leistungsentnahme ich mich bewege, wie ökonomisch ich unterwegs bin. Das Zweite Manko ist wohl die nicht vorhandene Rekupperation. Es ist eigentlich widersinnig, wenn ich den kostbaren und begrenzt vorhandenen Strom in kinetische Energie umwandle, um diese Energie dann mit der Bremse in Form von Wärme an die Luft abzugeben. Aber ich schätze einmal, das ist lediglich eine Frage der Zeit, bis auch die Bremsenergie der Zero Motorräder wieder zur Aufladung der Batterie benutzt werden wird.
Die Zero S ist ein echtes Motorrad mit einem Elektromotor das richtig Spass machen kann. Sie ist ungemein handlich, durchzugsstark, hat ein gutes Fahrwerk und gute Bremsen. Eigentlich ein ideales Fahrzeug, um die Stecke zur Arbeit in der Stadt zurückzulegen (wenn die Distanz nicht länger als 45 Kilometer ist). Dann kann sie an einer normalen Haushaltssteckdose, dank dem Schnelllademodus, innerhalb von 3 Stunden wieder vollständig aufgeladen werden und ist bereit, den Nachhauseweg unter die Räder zu nehmen.
Eine neue, wirklich faszinierende Art der Fortbewegung.
PS: Ich kann Motorräder mit Krawalltüten nicht ausstehen und würde schon gar nie ein solches Gefährt mein eigen nennen. Aber als ich nach dem Test der Zero S wieder auf meinen eigenes Tourenmotorrad gesessen bin, ist es mir zum ersten Mal laut vorgekommen.
Jaja, so schnell geht das mit der Umgewöhnung.
Motor |
luftgekühlter Dauermagnet Elektromotor |
Leistung max. |
19kW (26 PS) |
Leistung normal |
9 kw (12 PS) |
max. Drehmoment |
60 Nm |
Batterie |
Lithium-Ionen-Akku |
max. Leistung |
4,4 kW/h |
nominal Leistung |
3,9 kW/h |
Ladegerät |
integriert |
Ladezeit |
2,3 Std (voll), 2 Std (90%) |
Reichweite (real) |
50 km |
Antrieb |
kupplungsfreier Direktantrieb über Zahnriemen |
Radstand |
141 cm |
Federweg vorne |
140 mm |
Federweg hinten |
151 mm |
Leergewicht |
135 kg |
max. Gesamtgewicht |
271 kg |
Kosten einer Batterieladung |
ca. Fr. 0.50 |
Preis |
Fr. 12’750 |
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