In den 70er- und 80er-Jahren waren die Enduros der XL-Baureihe von Honda auf unseren Strassen omnipräsent. Die Motorradeinsteiger fuhren die 125er, aber auch das 250er-Modell erfreute sich ausserordentlicher Beliebtheit.
Sie waren der Inbegriff des Tieres, welches es eigentlich gar nicht gibt; der eierlegenden Wollmilchsau. Für zoologisch nicht so beschlagene Zeitgenossen bedeutet das, die Motorräder der XL-Baureihe waren für so gut wie alles zu gebrauchen: ob für den täglichen Arbeitsweg, in der Feizeit am Abend oder am Wochenende, ob auf oder neben der Strasse, die kleinen Hondas waren unverwüstliche und verlässliche Transportmittel, mit denen man auch eine Menge Spass haben konnte. Mit der 250er konnte man dank der stärkeren Motorisierung auch längere Strecken in Angriff nehmen, ohne zu ermüden.
Nun hat sich Honda auf seine stolze Tradition besonnen und bietet ab Mitte dieses Jahres die neue Enduro CRF250L an. Ein Allerweltsmotorrad im besten Sinne. Leicht, robust mit langen Federwegen, welche auch auf schlechten Strassen einen hervorragenden Komfort bieten oder die auch einen Abstecher auf unbefestigtem Untergrund locker wegstecken. Eigentlich eine gründlich überarbeitete XL mit allen technischen Errungenschaften unserer Zeit.
Motor
Der Einzylinder entstammt der 2011 eingeführten CRF250R. Der hochmoderne DOHC-Vierventiler vereint sportliche Leistung, angenehme Kraftentfaltung und Laufkultur mit geringem Verbrauch. Begradigter Ansaugtrakt zur Airbox, verringerter Drosselklappendurchmesser (um 2 auf 36 mm) und passend abgestimmter Auspuff tragen zur optimierten Charakteristik für breitbandigen Enduro-Einsatz bei. Überarbeitet für den Einsatz in der CRF250L präsentieren sich ebenso Kupplung und Sechsganggetriebe, dazu wurden Ölpumpe und Gehäuseentlüftung modifiziert.
Das konsequent auf Leichtlauf und geringen Benzinverbrauch optimierte Triebwerk ist überquadratisch ausgelegt (Bohrung/Hub 76x55 mm) und entsprechend drehfreudig. Gleichwohl erfolgt die Leistungsabgabe (Leistung 17 kW (23 PS) bei 8.500/min) füllig und homogen, wozu sorgfältig gewählte Ventilsteuerzeiten und die gezielt abgestimmte PGM-FI Kraftstoffeinspritzung beitragen. Geregelter Katalysator (sitzt im Dämpfer der Abgasanlage) sowie Sekundärluftsystem bewirken geringstmögliche Emissionen (Euro 3) und vorbildliche Umweltfreundlichkeit.
Weitere technisch bemerkenswerte Details: Das Motorgehäuse ist horizontal geteilt. Eine Balancerwelle gleicht Vibrationen aus und treibt gleichzeitig die Wasserpumpe an. Die Kurbelwelle rotiert in Gleitlagern, was wesentlich zur Laufruhe beiträgt. Ein Kugellager stützt die Welle als drittes Lager zur Lichtmaschine auf der linken Seite ab. Weitere Massnahmen zur Reibungsminimierung: Das Kolbenhemd ist streifenweise mit einer Molybdänbeschichtung versehen. Über Rollenschlepphebel (ein Novum in einem Vierventil-Motorradmotor) werden die Ventile betätigt. Im Kurbelwellen-Pleuelfuss ist ein Rollenlager verbaut, das den Vorteil hoher Reibungsarmut bietet und ebenfalls zur erstrebten Verbrauchreduzierung beiträgt.
Neben dem Tank ist linksseitig der Wasserkühler platziert. Ein elektrischer Lüfter, der sich bei Bedarf zuschaltet, hält die Kühlmitteltemperatur auch bei hitzigen Konditionen (z.B. bei längerem Stopp and Go-Verkehr) im grünen Bereich. Eine schützende Lamellen-Abdeckung auf der Vorderseite trägt dazu bei, bei Offroad-Betrieb Dreck und Schmutz abzuhalten. Die Kühlleistung des Wasserkühlers beträgt 10,7 kW.
Fahrwerk
Ein neu konstruierter Stahlrohrrahmen erfüllt die Anforderungen, die punkto Steifigkeit, Raumökonomie und Bodenfreiheit an eine multifunktionale Enduro gestellt sind. Die Doppelschleifen-Konstruktion setzt sich aus verschweissten Segmenten zusammen – oben ovale Rohre, unten Rundrohre, und im mittleren Teil um die Schwingenaufnahme wiederum verschweisste Ovalrohre mit grösserem Durchmesser. Vom Steuerkopf bis auf etwa halbe Motorhöhe versteift ein zentrales Trägerelement das Bauteil.
Die Rahmengeometrie begünstigt ausgewogen sicheres Fahrverhalten und leichtes Handling sowohl bei Asphalt- als auch bei Gelände-Einsätzen. Der Radstand beträgt 1.445 mm, der Lenkkopfwinkel 27,6 Grad und der Nachlauf 113 mm. Der angeschraubte Heckrahmen ist aus Stahlrundrohren gefertigt, die Festigkeit auf Zweipersonenbetrieb plus 5 kg Gepäckkapazität ausgelegt.
Eine Upside-Down-Gabel von Showa mit 43 mm Gleitrohrdurchmesser führt das Vorderrad, der Federweg beträgt stattliche 250 mm. Aluminium-Gabelbrücken mit Doppelklemmung sorgen für Stabilität. Federrate und Dämpfungscharakteristik decken einen weiten Bereich bei Strasseneinsatz wie auch Offroad-Betrieb ab.
Der sorgfältig abgestimmte Monoshock-Stossdämpfer von Showa bewirkt über das Pro-Link Hebelsystem bei einfederndem Hinterrad ein progressives Ansprechen. Der Federweg an der Radachse beträgt 240 mm.
Die gelochte Wave-Scheibenbremse im Vorderrad misst 256 mm im Durchmesser, wird von einer Doppelkolben-Bremszange beaufschlagt und überzeugt mit kraftvoller, bestens dosierbarer Verzögerung. Das Design des Scheibenadapters mit hohem Selbstreinigungseffekt wurde von den CRF-Crossern übernommen. In Hinterrad verzögert zuverlässig eine Wave-Einscheibenbremse mit einer Einkolben-Bremszange.
Der Kraftstofftank der CRF250L bietet 7,7 Liter Fassungsvermögen auf. Das Reservoir ist am hinteren Ende zusammen mit Seitenverkleidung sowie Sitzbank so gestaltet, dass komfortable Sitzhaltung und perfekter Knieschluss im Sitzen wie bei in den Rasten stehender Fahrweise möglich ist.
Cockpit
Das digitale Anzeigeinstrument ist ablesefreundlich im Blickfeld positioniert. Der LCD-Tachometer wird flankiert von Tankuhr, Zeituhr, Kilometerstand-Anzeige, zwei Tripmetern und diversen Kontroll-Leuchten. Die Helligkeit des Displays ist regelbar. Die Bedienknöpfe sind ergonomisch gestaltet und auch mit Handschuhen gut zu bedienen.
Den leuchtstarken H4-Scheinwerfer (60/55 Watt) nimmt eine schlank gezeichnete Lampenverkleidung aus Kunststoff auf, die wie ein Startnummernschild nach oben hochgezogen ausläuft und so gleichzeitig eine Windschild-Funktion mit übernimmt.
Leichte Bedienung, enger Wendekreis
Ergonomische Hebel und moderne Schalterarmaturen kommen leichter Bedienung entgegen. Bestens ausbalanciertes Handling, enger Wendekreis (nur 2,30 Meter) und beste Übersicht über das Verkehrsgeschehen unterstützen die Manövrierbarkeit.
Der Schalldämpfer der Abgasanlage ist rechtsseitig montiert. Auf der linken Seite ist der Deckel der Werkzeugbox als Teil der seitlichen Kunststoffverkleidung ausgebildet. Ein stabiler Motorschutz sorgt bei Offroad-Einsätzen für zusätzliche Protektion. Abrutschfeste und gross dimensionierte Fussrasten mit gezackten Auflagen bieten sicheren Halt. Das Lenkschloss ist zwecks Diebstahlschutzes mit verstärkten Anschlägen versehen. Vier Stiftschrauben erleichtern die Befestigung von Gepäckgummis im hinteren Bereich der Sitzbank.
Fazit
Obwohl in bester XL-Tradition ist die CRF250L ein komplett neues Motorrad. Der hochmoderne Vierventil-Motor als Triebsatz mag mit seiner Leistung von 23 PS auf den ersten Blick etwas enttäuschen, leistet doch derselbe Motor in den Wettbewerbsmaschine CFR250R (Cross) doch fast das Doppelte (40 PS). Nun die Emissionsvorschriften für Strassenmotorräder fordern bei der Leistung offensichtlich ihren Tribut. Doch auf der Strasse zählt nicht die nackte Leistung allein, sondern eine füllige Leistungsabgabe bereits im unteren Drehzahlbereich sowie eine problemlose Handhabung sind gefragt.
Das ProLink-Fahrwerk mit 250 respektive 240 mm Federweg verspricht schon auf dem Papier Komfort auf der Strasse und Reserve im Gelände.
Mit der CRF250L hat Honda eine attraktive, alltagstaugliche Enduro auf die Speichenräder gestellt, deren technische Daten einiges erwarten lassen.
Die günstig kalkulierte CRF250L bietet ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis und soll dazu mit niedrigen Betriebskosten glänzen. Der Verkauf in der Schweiz startet Anfang Juli 2012.
Road&Motor wird diese kleine Honda im Alltagsbetrieb testen, sobald sie verfügbar ist.
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