Rubber-Dance mit einer echten Gummikuh

BMW R80RT
Accroche: 
Eigentliche müsste der Titel lauten: „Gummikühe … oder warum man dem Artensterben durchaus etwas Positives abgewinnen kann“. Diese kleine Geschichte mag mit einem Schuss polemischem Humor veranschaulichen, welch wirklich unglaublichen Fortschritte in praktisch jedem Gebiet der Motorradherstellung gemacht wurden. Etwas, dass man nur schlecht mit Worten wiedergeben kann, etwas was man er-„fahren“ muss.

Die nachfolgende Geschichte hat sich genau so zugetragen. Ehrenwort. Und wenn es nicht so ernst wäre, müsste man sich kringeln vor Lachen.

Also ... nur mal vorneweg ... ich habe schon wirklich viele verschiedene Motorräder gefahren. Grosse, kleine, schnelle, langsame, quer durch das Motorradangebot der meisten grossen Marken. Und ich befasse mich auch schon über 30 Jahre mit Motorrädern. Und selbstverständlich habe ich auch schon viele grauslich-schauerliche Geschichten über Gummikühe gelesen. Aber ... ich bin noch nie eine gefahren.

Bis an dem schönen Tag vor etwa 2 Jahren.

Das ging so: Ich bin also bei Alex, dem Schrauber meines Vertrauens, der gerade den Service an einer BMW R 80 RT Jahrgang 1979 abgeschlossen hat.

"Mit der muss doch noch eine Testfahrt gemacht werden ? Kann ich das übernehmen ? Das würde mich mal echt interessieren."

"Ja, mach mal."

Helm auf und aufgesessen. Dass sie beim Gasgeben zur Rolle seitwärts ansetzen will, überrascht mich nur gelinde. (Ihr erinnert euch an die grauslich-schauerlichen Geschichten ? ) Also, „Klonk!“ und los.

Noch keine 500 Meter weit, und ich habe gröber verschärft das Gefühl, da stimmt etwas ganz fundamentales nicht. Den Lenker loszulassen getraue ich mich nicht, den ich befürchte, er würde von Anschlag zu Anschlag flattern. Die ersten 4 Kilometer gehen nahezu nur geradeaus und sind eigentlich zum Anwärmen des Motorenöls gedacht.

Dann rechts abbiegen. Blinker ... Blinker ... ?? ... Blinker wo !

Dann die ersten Kurven. Der Blick auf Lenkkopf und Gabel machen aus dem Zweifel Gewissheit. So ist das nicht gedacht. So KANN das nicht gedacht sein! Also wird die Testfahrtroute abgekürzt. Kurz anhalten. Der Luftdruck vorne scheint nicht völlig daneben zu liegen. Das Rad ist rund. Und die Vorderachse auch festgezogen. Also zurück in die Werkstatt.

Es kommen noch einige Kurven. (Ihr erinnert euch an die grauslich-schauerlichen Geschichten ? ) Gas geben oder Gas wegnehmen in der Kurve ist ... gelinde gesagt kriminell. Speziell im Zusammenspiel mit der Frontpartie. Ich reduziere die Geschwindigkeit auf max. 60 km/h und bin heilfroh, die Werkstatt lebend zu erreichen.

Zuerst wird der Luftdruck geprüft. Der ist OK.

Ich bin wirklich ratlos.

Alex sitzt mit Kunden am Kaffeetisch. Er schaut mich fragend an. Ich kann doch nicht vor Kunden ...

"Ist etwas nicht gut ?"

Ich schaue nochmals die Kunden an, denn ich möchte ihm "Wahnsinniger" und "Mordversuch" ins Gesicht schreien.
Also äussere ich mich mit aller zu Gebote stehender Zurückhaltung:

"So kannst du die Maschine nicht ausliefern."

"Wieso denn ? Was ist nicht gut ?"

"Also genau kann ich es dir nicht sagen, ... aber irgendetwas stimmt mit der Frontpartie nicht. Lenkerflattern, … Luftdruck ist OK, … Gabel verdreht sich, ... und in den Kurven, ... ich habe alle grauslich-schauerlichen Geschichten über Gummikühe gelesen, alle, wirklich allesamt, .... aber DAS kann es nicht sein. DAS nicht."

Ich mache eine bedeutungsschwangere Pause ehe ich fortfahre:

"So kannst du die Maschine nicht ausliefern. Die ist lebensgefährlich !!!"

Wieder Pause. Jetzt sogar bedeutungsschwanger bis zum Anschlag.

"Und wenn du mich nochmals mit so einem Selbstmordeisen auf die Strasse lässt, sind wir die längste Zeit Freunde gewesen !"

Unterdessen habe ich mich in Rage geredet und habe wohl auch einen etwas roten Kopf bekommen. Ist doch wahr ! Mit dem Leben spielt man nicht leichtfertig. Wir sind ja hier nicht im Spiel "Spass ohne Grenzen".

Alex grinst über's ganze Gesicht und bricht schliesslich in ein herzhaftes Lachen aus.

"Hey, das ist eine alte BMW. Das muss so sein. Sonst ist sie kaputt."

Und jetzt setzt er zum dem Teil seiner Rede an, die mich bodenlos-abgrundtief nerven kann; die gütigen, gut gemeinten Ratschläge für das Dummerle. Mich!

"Diesen Bock musst du immer auf Zug fahren. Und schalten. Hochschalten und runterschalten. Da geht's hoch und runter, und die Gabel verwindet sich ... alles wie's sein muss."

Er meint das offensichtlich ernst. Mein Kopf ist nur mehr halb so rot und meine nächste Äusserung kommt ziemlich kleinlaut:

"Meinst du wirklich ?"

"Aber sicher !! Geh noch mal auf die Test-Route. Schau wie der Motor tut."

Also ich gehe nochmals auf die Test-Strecke und schaue was der Motor tut. Und nur das. Was ich mit Gewissheit sagen kann: der Motor motort. Das Boxer-Geräusch ist auf dem Bock erheblich erträglicher als wenn man es am Strassenrand ertragen muss. Die Kakophonie von andern mechanischen Geräuschen, welche diese Maschine von sich gibt, sind herzzerreissend und können einem Liebhaber feiner Mechanik die Tränen in die Augen treiben.

Und ich konzentriere mich wirklich auf den Motor, denn das Fahrwerk und das Fahrverhalten ... hätte ich nicht einen Vollvisierhelm auf, man würde mir meine knochentief sitzende Angst ansehen.

G_r_a_u_e_n_h_a_f_t___!_!_!

Also wenn ihr wieder mal so eine grauslich-schauerliche Geschichte, wenn möglich sogar eine verklärt-grauslich-schauerliche oder gar eine verklärt-grauslich-schauerliche-schöne Geschichte über eine Gummikuh hört, ... bitte, bitte, bitte, …. glaubt kein Wort.

Es ist das nackte Grauen!
Horror in Reinkultur!
Nie enden wollendes Entsetzen!
Seelenfolter!
Und nicht zuletzt lebensgefährlich!

Als Gegenargument könnte man ein "man gewöhnt sich daran" gelten lassen. Natürlich. Man kann sich auch an ein Leben im Gefängnis gewöhnen ... oder an Lepra. Das könnte ich mir durchaus vorstellen.

Aber ein Gewöhnen an eine Gummikuh ?

Nie nimmer gar nie nicht!

Ich nicht.

PS: Um dem ganzen eine Krone aufzusetzen, rief am Abend ein überglücklicher BMW-Oldie-Fahrer an und bedankte sich überschwänglich für die tollen Servicearbeiten. Sie liefe nun wieder „Suuuuuper“.
 

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